Goldschmiedekurs – Instagram made me diy it!

Die Collage zeigt vier Bilder. Das Größte zeigt typische Werkzeuge für die Goldschmiedetätigkeit: Säge, Zange, Ahle sowie mehrere Feilen. Die übrigen drei Bilder sind jeweils gleich groß und zeigen den fertigen Ring an einer Hand; zwei Finger, die einenunfertigen Ring halten, während im Hintergrund die Arbeitsmaterialien liegen; einen selbst geschmiedeten Ring mitsamt Armreif auf einem Präsentationsvlies

Instagram made me diy it!

Instagram made me buy it – den Satz kennt wohl jeder von uns und wahrscheinlich kann jeder von uns, der Instagram, Pinterest oder Tik Tok nutzt ihn auch bejahen. Egal, ob es um Kleidung, Schmuck, Nahrungsergänzungsmittel, Stifte oder Einrichtungsideen geht: Instagram made me buy it – not just once.

Aber muss es denn immer gleich kaufen sein? Vor ein paar Wochen sah ich einen Post auf dem Kanal von Hannah Chamberlain, die dort als Spiritedla ihre Leidenschaft für Cocktails, Kleidung und Informationen zur „feuchtfröhlichen Etikette“ teilt. Sie präsentierte dort ihre wunderschön manikürten Fingernägel mit einem modernen Cocktailring.

Der Cocktailring

Der Cocktailring hat seinen Ursprung in Amerika der 20er Jahren. Es herrschte Prohibition und Spirituosen wurden nur auf illegalen Partys serviert (oder heimlich selbst gebraut – der legendäre Moonshine). Der ausgeschenkte Alkohol war meist sehr stark und von minderer Qualität, weswegen die Barkeeper die ersten Cocktails kreierten – um den dort ausgeschenkten Fusel überhaupt trinkbar zu machen. Wohlhabende Damen, die diese Partys besuchten, haben ihren Reichtum zur Schau stellen wollen – sie bedienten sich auffälligen Schmucks, insbesondere Ringen. Diese waren groß, extravagant und prunkvoll. Meist war ein großer Edelstein eingefasst, umrahmt von mehreren kleinen Diamanten. Und damit die Herren ihn nicht mit einem Ehering verwechselten, denn der Cocktailring sollte auch Unabhängigkeit symbolisieren, wurde er an der rechten Hand getragen.

Heutzutage sind Cocktailringe noch immer groß und extravagant. Aber meist kommen Sie ohne auffällige Edelsteine aus und bestechen durch ungewöhnliches Design oder dem Mix von Oberflächenbeschaffenheiten oder wertvollen Materialien.

Instagram made me diy it.

Als ich den Ring bei Hannah Chamberlain sah, habe ich habe mich sofort verliebt. Aber ich wollte ihn nicht kaufen. Nicht nur, dass er 260 $ (in Silber 190 $) kostet, zuzüglich Steuern, Versand und Zollgebühren: Ich hätte ihn bestellt, mehrere Wochen auf ihn gewartet und dann wäre er ein weiteres Schmuckstück in meiner Schatulle gewesen. Dies wollte ich vermeiden.

In unserer VHS werden regelmäßig Handwerkskurse angeboten, so auch der Kurs „Schmuck-Werkstatt für Anfänger/-innen und Fortgeschrittene“. Dass es sich dabei um einen Wochenendkurs handelte, kam mir entgegen. Ich recherchierte ein paar Ringdesigns, die mir gefielen und die ich mir – als völliger Laie – auch zutraute zu schmieden. Wie gut, dass es Pinterest gibt.

Der Wochenendkurs

Das Bild zeigt mehrere Werkzeuge, die zur Herstellung von Schmuck benötigt werden: Eine Metallsäge, eine Zange, eine Ahle sowie mehrere unterschiedliche Feilen.

Der Kurs fand an einem etwas kälteren Wochenende im September statt, weswegen wir fünf Teilnehmer*innen relativ dick eingepackt im Werkraum der hiesigen VHS saßen. Ein bisschen erinnerte unsere Truppe an den Breakfast Club, so zusammengewürfelt waren wir. Neben mir nahm eine Richterin am Amtsgericht teil, sowie ein Ingenieur aus Brasilien mit seiner Freundin, einer deutschen Grundschullehrerin, sowie eine ukrainische Konzertpianistin. Und genauso bunt wie wir Teilnehmer*innen waren, so divers waren die Wünsche unserer Schmuckstücke. Die Pianistin hatte sich einen aufwändigen Halsschmuck vorgenommen, die Richterin wollte einen Schmuckstein in einen neuen Ring einfassen, das Pärchen traute sich an Partnerringe und ich freute mich schon darauf, einen auffälligen Ring zu schmieden.

Die Kursleiterin gab zunächst eine kurze Einführung zu den Materialien, zum Ablauf des Wochenendes, zu ihrer Person und wie sich die Kosten für das Material berechneten. Gerade das Silber gab sie dabei zum Selbstkostenpreis weiter. Wir versuchten uns alle an einem Probestück aus Kupfer und sägten, feilten und bohrten einen kleinen Anhänger, bevor wir dessen Oberfläche mit verschiedenen Methoden gestalteten. Erst danach ging es zum eigentlichen Werkstück. Dabei wurden Ideen erst aufgezeichnet, mit der Kursleitung abgesprochen und so individualisiert, dass es realistisch war, unsere Designs auch umzusetzen. Dabei änderte sich mein ursprüngliches Design, da ich im Vorfeld das Material falsch eingeschätzt hatte und auch meine Möglichkeiten gar nicht alle kannte, gerade was die Gestaltung der Oberfläche anging.

Ich entschied mich für ein in sich gewundenes Design, das durch zwei unterschiedliche Oberflächenstrukturen und einem Relief überzeugen sollte. Zusammen mit der Kursleiterin, einer gelernten Goldschmiedin, berechnete ich meinen geschätzten Materialverbrauch und sägte ein etwa 15 cm langes und 1,5 cm breites Stück Silber zu – was sich als das Schwierigste an der ganzen Geschichte herausstellte. Es schien fast unmöglich, den Streifen gerade zu sägen. Immer wieder sägte ich Macken zu und kämpfte mit der Säge. Zumindest beruhigte es mich, dass auch der Ingenieur mit den gleichen Tücken des Materials kämpfte wie ich.

Als ich den Silberstreifen endlich ausgesägt hatte, ging es ans Feilen um die Macken wieder zu glätten und eine schöne Kante zu bekommen. Aus Interesse wog ich das Material vor und nach dem Feilen – nur um festzustellen, dass ich Silber im Wert von 3 € abgefeilt hatte. Im Anschluss wurden die Oberflächen und Kanten geglättet und poliert. Für die Oberfläche hatte ich mir eine spezielle Prägung ausgesucht, die an Leder erinnert – und mit Hilfe einer Walze und einem Stück Mullbinde in das weiche Silber gewalzt wird.

Eine Hand hält das mittlerweile bearbeiteten, ca. 15 cm langen und 1,4 cm breiten Silber in die Kamera. Das Material wurde mit einer Prägung versehen, so dass die Oberfläche mit unebenen Linien überzogen ist.

Mit Körperkraft, einer Zange und später einem Schraubstock habe ich den Ring dann in seine endgültige Form gebracht. Dazwischen haben die Kursleitung und ich in Partnerarbeit das Material immer wieder erhitzt und auskühlen lassen, sodass die molekulare Struktur des Silbers und damit seine Eigenschaften erhalten bleiben.

Nach rund 10 Stunden Arbeit war er dann endlich fertig – und ich ziemlich stolz auf das fertige Ergebnis:

Der gefertigte Ring steckt am Mittelfinger einer Hand. Der Hindergrund ist schwarz. Man sieht, wie das Licht sich im Silber spiegelt. Auch die Oberflächenstruktur ist gut zu erkennen.

Da ich dann tatsächlich noch etwas Zeit hatte, habe ich mir noch ein schmales Armband aus Silberdraht gefertigt:

der fertige Ring liegt mittig auf einem schwarzen Präsentationsvlies. Um ihn herum ist ein in sich verschlungenes Armband gelegt, welches ebenfalls aus Silber gefertigt wurde.

Und was hat mich jetzt das Wochenende mit meinen Schmuckstücken gekostet?  

2tägiger Kurs bei der VHS72 €
Materialgeld Probestück5 €
Material für Silberringca: 23 €
Material für Armreif7 €
Insgesamt:107 €

Mit den Kosten bin ich völlig zufrieden. Der aktuelle Silberpreis lag bei 1,49 € je Gramm und je nach Größe des eigenen Schmuckstücks wurde es teurer – oder günstiger. Außerdem war der Kurs hervorragend organisiert und dank der sehr kleinen Gruppengröße war fast eine 1:1-Betreuung durch die Kursleiterin möglich.

Mein ganz persönlicher Cocktailring

Nach diesem Wochenende habe ich zwei ganz besondere Schmuckstücke mit nach Hause gebracht, die nicht einfach in einer Schmuckschatulle landen und dann vergessen werden. Dank der Erfahrung, den netten Gesprächen mit den anderen Kursteilnehmern und dem Herzblut, welches in dieses Werkstück geflossen ist, wird es immer etwas ganz Besonderes bleiben. Und während ich den Ring insbesondere trage, wenn mein Mann und ich abends schick Essen gehen, baumelt der Armreif seitdem fast täglich an meinem Handgelenk.

Jetzt fehlen eigentlich nur noch die passenden Ohrringe – für die ich vielleicht im kommenden Frühjahr erneut einen Kurs bei der Goldschmiedin besuchen werde.

Und ich kann jetzt ganz ehrlich sagen:

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